Mittwoch, 30. Oktober 2019

Es braucht Bildung statt Beschäftigung

«Aus dem Gemeinderat» im Zürich West berichtet Markus Baumann, glp-Gemeinderat Kreis 9

Obwohl es in der Schweiz deutlich mehr Ausbildungsplätze gibt als in unseren Nachbarländern, bleiben noch immer viele Jugendliche und junge Erwachsene ohne berufliche Perspektive und müssen Sozialhilfe beziehen. Deshalb wird es Zeit, ein Ausbildungsprogramm für junge Erwachsene, die von Sozialhilfe leben, zu etablieren. Aus- und Weiterbildung gehören heutzutage dazu, um gefährdete junge Erwachsene besser zu integrieren. Dasselbe gilt auch für Menschen, die «nur» eine Berufs- oder Studienbildung haben. Auch diese Gruppe gehört heute zu den Risikogruppen. Die Hälfte der Sozialhilfebeziehenden haben keinen Berufsabschluss. Der Erwerb von Grundkompetenzen, Nachholbildung und Weiterbildung ist für ihre berufliche, aber auch für die soziale Integration von zentraler Bedeutung.


Mammut-Dienstabteilung «Bildung und Soziales»

Geringqualifizierte haben es in der Schweiz vermehrt schwer auf dem Arbeitsmarkt. Ihre Chancen haben in den letzten Jahren deutlich abgenommen, da auf der einen Seite niederschwellige Arbeiten ins Ausland verlagert wurden und anderseits die fortschreitende Digitalisierung Jobs verschwinden lässt. Auch wenn durch die Digitalisierung neue Jobs geschaffen werden, heisst das noch nicht, dass die Stellensuchenden qualifiziert sind für die neuen Jobs. Ein Transfer kann in der Regel nicht stattfinden. Darum ist es in der Sozialpolitik heute zentral, sich auch mit Bildungspolitik zu beschäftigen, damit Bildung im Fokus steht und nicht Beschäftigung. Es ist nötig, dass ein Umdenken in der Sozialhilfe und im Bildungssystem der Schweiz stattfindet. Die gesellschaftlichen Herausforderungen, die wir in der Zukunft haben, bringen mich dazu, eine Mammut-Dienstabteilung «Bildung und Soziales» in der Stadt zu fordern. Das eine wird vom andern in der Zukunft nicht mehr unabhängig voneinander zu gestalten sein. Wir müssen uns bewusst werden, dass mit gezielter Weiterbildung Menschen aus der Sozialhilfe zurück in den Arbeitsmarkt gelangen. Um diese Forderungen umzusetzen, braucht es zuerst Investitionen aus der Gesellschaft heraus, die sich erst später positiv in der Gesellschaft – auch finanziell – niederschlägt.


Stipendien-Verordnung anpassen

Eine Forderung, die wir im Gemeinderat als Motion dem Stadtrat überwiesen haben, ist die Anpassung der Stipendien-Verordnung, dies sollte nun auch auf kantonaler Ebene stattfinden. Mit der Anpassung fordern wir, dass auch eine Nachholbildung für Erwachsene über die Stipendien-Verordnung finanziert werden kann mit dem Ziel, Arbeitsmarktfähigkeit für die Betroffenen aufrechtzuerhalten. Stipendien sollten auch an eine mögliche Zweitausbildung ausbezahlt werden, damit das Risiko des sozialen und beruflichen Abstieges zum Beispiel bei der Menschengruppe 45+ reduziert wird. An so einer Weiterbildungsoffensive sollen sich Bund, Kantone und die Gemeinde finanziell beteiligen, mit dem Ziel, dass Sozialhilfebezüger und Risikogruppen in der Arbeitswelt eine bessere berufliche Grundbildung erhalten und Geringqualifizierte ihre Arbeitsmarktfähigkeit nicht verlieren.

 

AUS DEM GEMEINDERAT
Markus Baumann wurde 2014 für die GLP, Kreis 9, in den Gemeinderat gewählt. Der dipl. Betriebswirtschafter HF/Fachmann für Arbeitsintegration ist Mitglied der PUK ERZ und Vizepräsident der SK Sozialdepartement.