Seit wir das letzte Mal als Stadtzürcher Parlament im Zürcher Rathaus getagt haben sind gerade mal 56 Tage vergangen – und trotzdem kommt es den meisten von uns wohl vor, als sei dies sehr viel länger her, irgendwie vielleicht sogar in einem früheren Leben. Die COVID-19-Krise hat die Welt, unsere Stadt, ja unseren Alltag und unser Leben in den letzten Wochen in einem Tempo und Ausmass auf den Kopf gestellt, wie wir uns selbst in den kühnsten Fantasien nicht hätten vorstellen können. Nach knapp zwei Monaten zieht die GLP eine erste, provisorische Bilanz und bewertet erstmals die neue Ausgangslage:
Wirtschaftliche Unterstützungsmassnahmen mit Augenmass einsetzen
Zusammen mit den anderen im Zürcher Gemeinderat vertretenen Parteien versicherte die GLP gleich zu Beginn der COVID-19-Krise Stadtrat und Verwaltung ihrer Unterstützung in dieser absehbar schwersten Belastungsprobe der letzten Jahrzehnte. Die Grünliberalen stehen im Grundsatz auch zu den Unterstützungsmassnahmen, die die Stadt subsidiär zu den von Bund und Kanton beschlossenen wirtschaftlichen und sozialen Hilfspaketen lanciert hat. Dennoch darf sich der Stadtrat nicht dazu verleiten lassen, die sorgsam aufgebauten Reserven mit vollen Händen für kurzfristige Überbrückungsmassnahmen auszugeben, die nicht nachweislich nachhaltig sind. Die Stadt muss in der Lage sein, auch eine längere Rezession mit all ihren wirtschaftlichen und sozialen Folgen durchzustehen. Dazu braucht es aber auch unverzüglich eine erste Einschätzung der Exekutive über die zu erwartenden Kosten dieser Krise. Die Grünliberalen gehen davon aus, dass die Stadt in den kommenden Jahren mit deutlich weniger Steuererträgen wird auskommen müssen. Neben Investitionen in die Bereiche Bildung, Gesundheit, Grundversorgung und Integration zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft, muss der Umbau hin zu einer klimaresistenten Stadt jetzt beschleunigt werden. Die COVID-19-Krise zeigt uns ja gerade exemplarisch, wie fragil und verletzlich der Mensch ist. Klima, Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft müssen wieder in eine Balance gebracht werden. Der Gemeinderat hat dem Stadtrat hierzu im letzten September während der städtischen Klimadebatte eine ganze Reihe von Aufträgen erteilt. All diese Massnahmen erzeugen zudem eine beachtliche wirtschaftliche Hebelwirkung, schaffen und sichern Arbeitsplätze besonders im lokalen Gewerbe und generieren Innovationen in zukunftsträchtigen Branchen.
Direkte Demokratie unter Druck
Leider müssen wir nach gut einem Monat Notstand feststellen, dass unser politisches System schlecht auf eine solche Krisensituation vorbereitet ist: Abstimmungen auf allen drei Staatsebenen wurden abgesagt und Parlamente (ebenfalls auf allen drei Staatsebenen) konnten ihre Aufgabe nicht erfüllen. Dies ist einerseits Folge der bundesrätlichen Verordnung zu COVID-19, deren Massnahmen gegenüber Bevölkerung, Organisationen und Institutionen auch die demokratischen Institutionen – wie eben die Parlamente – getroffen hat. Hier muss für die Zukunft sichergestellt werden, dass die demokratischen Institutionen – ausser natürlich bei der Befolgung von Hygiene- und Abstandregeln – von einer Bewilligungspflicht befreit sind. Nota bene wurde in all unseren Nachbarländern der parlamentarische Betrieb nahtlos fortgesetzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Teil des parlamentarischen Stillstands ist aber selbstverschuldet: Die COVID-19-Krise hat exemplarisch gezeigt, dass Situationen auftreten können, in denen eine physische Zusammenkunft der ParlamentarierInnen nicht zweckdienlich oder angemessen ist. In solchen Situationen muss der Parlamentsbetrieb trotzdem weiterhin gewährleistet werden können und allen ParlamentarierInnen offen stehen. Die digitale Sitzung bietet hierzu eineAlternative und die aus Sicht der GLP jetzt rasch umgesetzt werden muss. Im Moment lassen dies die gesetzlichen Rahmenbedingungen leider (noch) nicht zu; das müssen wir dringend ändern. Entsprechende Vorstösse sind nun auf kantonaler wie kommunaler Ebene lanciert bzw. in der Pipeline – und aller Voraussicht nach mehrheitsfähig, was uns mit Zuversicht erfüllt.
Einem Stresstest hat die COVID-19-Krise auch die bürgerlichen Freiheitsrechte ausgesetzt. Die Grünliberalen sind dezidiert der Auffassung, dass auch in Zeiten von Corona im öffentlichen Raum die Meinungsäusserungsfreiheit gilt. Wenn sich die Demonstrantinnen und Demonstranten an die Hygiene- und Distanzregeln des Bundesamts für Gesundheit halten, soll auch demonstriert werden dürfen – und ja, dies sogar im Auto.
Das positive Momentum der Digitalisierung nützen
Abschliessen möchten wir mit einer positiven Feststellung: Nämlich, dass die Digitalisierung – die durch die COVID-19-Krise – umständehalber eine ziemliche Beschleunigung und Verbreitung erfahren hat – funktioniert und auch erfreuliche Nebeneffekte zeigt. Innert weniger Tage konnte in vielen Bereichen auf Home-Office umgestellt werden, die Schüler und Studentinnen lernen und üben digital, die Kommunikation ist in den virtuellen Raum umgezogen – die Hypermobilität hat deutlich abgenommen und wir stellen fest, viele Aktivitäten können ruhiger, bescheidener und ressorcenschonender stattfinden. Lassen Sie uns diese Chance nützen.