Mittwoch, 10. November 2021

Im Grundsatz die richtige Richtung, aber…

Wohin es gehen soll, ist nun klar. Aber was wurde denn schon erreicht und worin bestehen die Herausforderungen?

Es herrschte fast kritiklose Einigkeit, als der Gemeinderat Anfang März 2021 die Altersstrategie 2035 einstimmig annahm. Nun bekommen wir bereits wenige Monate später eine erste Zwischenbilanz. Einerseits freute uns die frühe Medienmitteilung vom 08. November 2021, andererseits stellten wir uns die Frage, ob denn eine Bilanz zu den ersten umgesetzten Massnahmen überhaupt möglich ist. 

 

Das Wohnen im Alter stellt in Zürich eine Herausforderung dar. “Wir haben schon immer gefordert, dass neue Wohnmodelle geprüft werden müssen.” sagt Nicolas Cavalli, unser Co-Präsident GLP und Mitglied der Spezialkommission Gesundheits- und Umweltdepartement (GUD). “Diese Forderungen sind zwar aufgenommen, die Resultate der Umsetzung sehen wir aber noch nicht. Es bleibt abzuwarten, wo wir noch Verbesserungen vornehmen müssen.”

 

Die Stossrichtung, Wohnungen für Ältere Personen zu fördern, sei richtig, sagt auch David Fässler, Inhaber einer Beratungsfirma für Wohnen im Alter und Gemeinderatskandidat aus dem Kreis 4&5, “Was noch fehlt, ist nebst der Einbindung von Wohnbaustiftungen und Genossenschaften, die Sensibilisierung der privaten Immobilieneigentümerschaften, seien es Privatpersonen oder Institutionelle. Die Wohnungen der Stadt gehören zu rund 60% Privaten. Dieses Potenzial gilt es zu nutzen”. Private böten laut seiner Angabe eigentlich gerne Wohnraum für ältere Personen an, dennoch fehlt es noch weitgehend an Wissen, wie der Wunsch von älteren Menschen, zu Hause alt zu werden, realisiert werden kann. Das betrifft einerseits bauliche Massnahmen, aber auch Vernetzungsmöglichkeiten im Quartier. 

 

Etliche Verwaltungen machen bei dem Projekt ‘Wohnungs-Plattform’ der Stadt Zürich zur Altersstrategie mit, welches für umzugswillige ältere Personen eine kleinere Wohnung in der Umgebung ermöglichen möchte. Solche Ansätze findet auch David Fässler richtig. “Es ist schliesslich nicht nur die Pflicht der Stadt, eine Lösung für dieses Problem anzubieten. Dazu braucht es alle – auch Private. Hier geht die Stadt mit der Lancierung der umfassenden digitalen Informationsplattform neue Wege” Aus diversen Studien ist allerdings bekannt, dass die Umzugswilligkeit von älteren Personen tief ist. Auch hier will die Stadt neue Wege beschreiten, indem die Fachstelle ‘Zürich im Alter’ ihre Dienstleistungen näher zu den Menschen in die Quartiere bringen will. David Fässler sieht in dieser Massnahme einen weiteren gangbaren Weg und ergänzt: “Eine aufsuchende Beratung, das heisst zum Beispiel mittels Hausbesuchen, sollte vermehrt ins Auge gefasst werden. Dazu gehört die Vernetzung der Fachstelle mit den Immobilienverwaltungen, die sehr oft nahe an der Mieterschaft sind und deren Nöte und Sorgen kennen. Diese Verknüpfung kann auch dazu führen, dass für eine ältere Person rechtzeitig eine Spitex oder im Falle von Demenz ärztliche Unterstützung lanciert wird. Ein solches Vorgehen kann so auch die Kosten im Gesundheitswesen senken.” 

 

Eine soeben publizierte Studie zeigt, dass gerade weniger begüterte Menschen viel zu lange mit der Inanspruchnahme von Pflege oder ärztlichen Dienstleistungen warten. Im Endeffekt verteuert dies das Gesundheitswesen erheblich, was gerade für die Stadt Zürich weitreichende Folgen haben kann.

 

Nicolas Cavalli meint: “Wir können somit schliessen, dass es in die richtige Richtung geht. Aber dieses erste Zwischenziel ist lediglich ein erster kleiner Schritt auf einem langen Weg. Wir werden die weitere Entwicklung und Umsetzung der Altersstrategie kritisch mitverfolgen und uns einbringen. Auch beim zentralen Thema Wohnen im Alter heisst unser Lösungsansatz Diversität und Durchmischung. Das können auch Clusterwohnungen sein, die wir als Modell stark unterstützen und forcieren wollen. Allerdings sind wir der Meinung, dass nicht Sozialromantik und Wunschdenken, sondern nur Realitätssinn und Pragmatismus zum Ziel führt. So können wir verhindern, dass es zu einer Ghettoisierung von Alterssiedlungen kommt.”