Mittwoch, 17. Juni 2020

Neues Städtisches Lohnsystem mit Stärken und Schwächen

Grünliberale enthalten sich bei neuem städtischen Lohnsystem

Die GLP-Fraktion wird sich bei der vorliegenden Weisung zur Weiterentwicklung des Städtischen Lohnsystems (SLS) enthalten. Die Enthaltung ist das Resultat intensiver Diskussionen über eine Vorlage, die aus unserer Sicht sowohl wichtige unterstützungswürdige wie auch zentrale abzulehnende Elemente enthält. Ausserdem haben wir das Risiko durch einzelne Dispoanträge das Ergebnis der Teilrevision am Schluss zu verschlimmbessern als zu hoch einschätzt. Erschwerend kommt hinzu, dass das SLS einen zentralen Konstruktionsfehler aufweist – doch dazu später.

 

Zunächst zu den Schwachpunkten der Revision


Die hohen Funktionsstufen profitieren weit überdurchschnittlich von der Revision. Konkret haben Modellrechnungen gezeigt, dass in der untersten Funktionsstufe mit durchschnittlichen Lohnerhöhungen von 0.7% in der obersten Funktionsstufe von 1.9% gerechnet wird. Die absoluten Zahlen variieren von 387.- Franken für die unterste zu 4545.- Franken in der obersten Funktionsstufe. Begründet wird die lohnmässige Aufrüstung in den Teppichetagen der städtischen Verwaltung mit der mangelnden Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Privatwirtschaft. Dieser Nachteil hat sich in den letzten Wochen und Monaten aber gerade ins Gegenteil verwandelt. In Zeiten gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und finanzieller Unsicherheit sind doch gerade die Sicherheit des Arbeitsplatzes, die grosszügigen Lohnnebenleistungen sowie attraktive und fortschrittliche Arbeitsbedingungen zentrale Vorteile einer Anstellung beim Staat. Es seien an dieser Stelle grosszügige Ferien- und Weiterbildungsregelungen genannt, aber auch beim Vaterschaftsurlaub sowie den weiteren Unterstützungen zur Vereinbarkeit von Arbeit und Familie ist die Stadt Zürich anderen Arbeitgeberinnen um einiges voraus und bietet generöse Verhältnisse. Was die GLP übrigens nicht kritisiert oder in Frage stellt, es geht vielmehr darum, diese Elemente in der Gesamtbeurteilung der Attraktivität der Arbeitsbedingungen mit zu berücksichtigen.

 

Der Mittelbau des städtischen Personals ging bei dieser Teilevision mehr oder weniger vergessen: Gerade diejenigen städtischen Angestellten, die für die Bevölkerung lebenswichtige Leistungen wie Pflege und Betreuung erbringen, die Grundversorgung in den industriellen Betrieben oder die Mobilität auf den Tram- und Busnetzen sicherstellen und für Sicherheit im öffentlichen Raum sorgen, sind grossmehrheitlich in Funktionsstufen zu finden, die stark unterdurchschnittlich von dieser Teilrevision profitieren. Diese Tätigkeiten prägen die Lebensqualität in unserer Stadt und beeinflussen direkt das Wohlbefinden der Bewohnerinnen und Bewohner eins zu eins. Eine Einschätzung, die wir als GLP teilen. Gerade in den letzten Wochen scheinen das mehr Menschen begriffen zu haben, als in vielen Jahrzehnten davor: Regelmässig wurde auf Balkonen für das Pflegepersonal und andere für die Grundversorgung wichtige Berufsgruppen applaudiert, Petitionen für mehr Wertschätzung aber auch mehr Geld in den Lohntüten wurden lanciert, Social-Media-Profile mit entsprechenden Slogans und Layouts verziert, es wurde von systemrelevanten Tätigkeiten und Berufen gesprochen. Zumindest eine Prämie sollten – da war man und frau sich einig – alle sofort oder spätestens Ende Jahr erhalten. Auch im Gemeinderat wurden 3 Vorstösse dazu eingereicht. Das Instrument, das die Löhne für alle Betroffenen und noch dazu nachhaltig verbessert werden kann und das sich zu diesem Zeitpunkt gerade in Teilrevision befand, ausgerechnet dieses SLS soll hier keine Rolle spielen. Für die GLP unlogisch und komplett unverständlich.

 

Nun zu den Stärken der Revision

 

Erhöhung des Bruttomindestlohns: Die Grünliberalen befürworten eine Erhöhung des Bruttomindestlohns, wie es der Stadtrat vorschlägt – also von aktuell 3654.85 Franken pro Monat auf 4100.- Franken. Davon sind rund 350 städtische Angestellte in den Funktionsstufen 1-4 betroffen. Wir finden es richtig und wichtig, dass die Stadt Zürich hier mit gutem Beispiel vorangeht und sich als fortschrittliche Arbeitgeberin zu existenzsichernden Löhnen nicht nur bekennt, sondern diese auch effektiv ausbezahlt. Diese vom Stadtrat vorgeschlagene Erhöhung um immerhin 12% wäre übrigens mit relativ bescheidenen Kosten in der Höhe von knapp 250 000 Franken verbunden gewesen; aus unserer Sicht gut investiertes Geld. Leider konnte es die rot-rot-grüne Ratsmehrheit nicht lassen, das Fuder zu überladen und hat einen Antrag zu Erhöhung um weitere 100.- Franken pro Monat gestellt. Diesen werden die Grünliberalen entsprechend ablehnen, denn so sehr es aus unserer Sicht korrekt ist, einen Minimallohn zu definieren so sehr darf nicht aus den Augen verloren werden, dass viele Angestellte am Ende des Monats Löhne nur knapp über dem Minimallohn überwiesen erhalten und dies, obwohl sie eine vollständige Berufslehre absolviert haben und zum Teil mehrere Jahre Berufserfahrung aufweisen können. Es ist aus Sicht der GLP zentral, dass sich Aus- und Weiterbildung lohnen – auch und gerade beim Staat, dem auch hier eine Vorbildrolle zukommt.

 

Flexibilisierung und Modernisierung der Lohnsteuerung: Dass Lohnerhöhungen nicht mehr jedes Jahr zwingend für alle Jahre erfolgen und ausserdem unabhängig vom Ziel- und Beurteilungsgespräch erfolgen, begrüsst die GLP. Ebenso dass die Vorgesetzten für die individuelle Lohnentwicklung der städtischen Angestellten in die Verantwortung genommen werden und jährlich ein Lohngespräch mit ihren Teammitgliedern führen müssen. Das entspricht auch dem Prozedere in anderen öffentlichen Verwaltungen und scheint uns im Jahr 2020 insgesamt angemessen und vernünftig zu sein.

 

Grundsätzliche Schwäche des SLS als solches

 

Das Städtische Lohnsystem hat einen schwerwiegenden Konstruktionsfehler, der durch die aktuelle Teilrevision leider noch vergrössert wird: Der Mittelbau der städtischen Angestellten – und damit diejenigen, die auch sozioökonomisch dem Mittelstand angehören und unsere Gesellschaft zusammenhalten – strukturell benachteiligt ist. Im öffentlichen Dienst sind dies meist Personen, die in irgendeiner Form für die Grundversorgung der Bevölkerung verantwortlich sind, oft ganz direkt auch für das persönliche und gesundheitliche Wohlbefinden und die Weiterentwicklung als Individuum. Es sind städtische Angestellte, die in der Regel eine Berufslehre abgeschlossen und oft die eine oder andere tätigkeitsrelevante Weiterbildung absolviert haben. Also typische VertreterInnen des dualen Bildungssystems. Das duale Berufsbildungssystem fehlt zwar kaum in einer Sonntagsrede von Exekutivpolitikern ... von Montag bis und mit Samstag wird es in der Realität der Verwaltung, wo eine direkte Umsetzung der hehren Vorsätze möglich und die Vorbildfunktion gross wäre und auch viele Angestellte – nota bene auch Lernende, also die zukünftigen Berufsleute – profitieren könnten, leider kaum honoriert.